Archiv der Kategorie: Ontologie

Horizont

Wenn Sein Zeit ist, ist es in die Physik entlassen
Das Relativitätsprinzip (spezielle Relativitätstheorie,
1905) von Einstein besagt, dass es keinen absoluten Raum und keine absolute Zeit gibt. Mein Mathematik-Lehrer erkläre es mir 1978 so: Wenn ich mit der Kreide auf der Tafel einen geraden Strich am Lineal ziehe, ist es von einem interplanetaren Standpunkt betrachtet eine Kurve, denn während der Zeit des Zeichnens dreht sich die Erde weiter, was die Schreib-Punkte aneinandergereiht gekrümmt erscheinen lässt. Der qualitativ höhere Blickwinkel (von außerhalb des alten Verständnis-Systems) gibt die 3. Dimension unseres 2-dimensionalen Vorgangs.
Unser Wahrnehmungsraum ist ein Pendeln, wie bei den Elektronen (negativ geladene Elementarteilchen und Schale des Atoms). Welle und Teilchen zugleich, können sie in ihrer Dualität nicht an einem Ort bestimmt werden. Je nach Art der Messung, die man an ihnen durchführt, wird entweder ihre Wellen- oder nur ihre Teilcheneigenschaft in Erscheinung treten, nie aber beides gleichzeitig.
Aber gehen wir näher heran – noch näher, und es scheint, dass jenseits der kleinsten, von uns im Augenblick vorstellbaren zeitlichen Ebene, das Kontinuum seine Eigenschaften verliert. Die bekannten physikalischen Gesetze jenseits der Planck-Zeit1 versagen: Jede Ausdehnung im Raum würde zu einem Schwarzen Loch kollabieren.
Wenn Zeit Sein ist, ist sie in die Ontologie entlassen
Durch den Menschen nimmt das Sein sich selber wahr und es wird sich nur bedingt auf den Grund gehen können. Wir müssten uns außerhalb stellen, wie beim Betriebssystem eines Computers, welches nur über einen externen Datenträger repariert werden kann. Es wird nicht gelingen, den aktiven Kernel mit Bordmitteln auszuhebeln. Zur schnelleren Darstellung von Daten ist in jedem Computer eine Parallelwelt implementiert, der Cache: Es wird ausgelagert, was das Zeug hält, um schnelleren Zugriff (simpel: Was öfters gebraucht wird, liegt ganz oben) zu gewährleisten und um den Kernel zu entlasten.
Eine wunderbare Erfindung!
Letztlich haben wir nur transzendiertes Zeug der uns umgebenden, alles durchdringenden, tieferen Wirklichkeit hervorgebracht, wir sehen es meist erst hinterher. Wir bauen keine Autobahnen, weil unsere Blutbahnen brausen und den Wegen und Straßen etc. ähneln. Ein Abbild des Lebens, das uns fragen lässt, ob auch wir ausgelagert sind, ist unser Weltbild doch nur der Schatten an der Wand?
Klar ist, dass wir mit den Computern der neuen Generation die Höhle bauen, in der das Lichterspiel schon stattfindet, allein der Betrachter fehlt noch – wir haben Millionen von Jahren gebraucht!

Unser Horizont kann nicht überschritten werden, außer, dass sich das Leben zu einer Qualität entwickelt, auf der Erkenntnisse einer höheren Dimension möglich würden. Trotzdem verstehen wir immer mehr im Rahmen des menschlich Darstellbaren. Als Teil der Natur vermessen wir das Universum nach unserem Maß, ein Universum als Spiegel unseres Selbst. Wir ruscheln uns die Grundlagen zurecht und fanden gerade den Klebstoff der möglicherweise alles zusammenhält: Dunkle Materie und die Dunkle Energie2. Nun stimmt die Rechnung wieder.

1) Die Planck-Zeit beträgt rund 5 mal 10-44 Sekunden und ist die Zeit, die Licht benötigt, um die Strecke einer Planck-Länge zurückzulegen.
Eine der Theorien zur Quantengravitation beschreibt das Gefüge der Raumzeit als 4-dimensionalen Schaum, wobei man sich ein Bläschen – das mindestens die Größe einer Plankzeit hat – nicht eingebettet in Zeit und Raum vorstellen darf, sondern der Schaum selbst wäre das Zeit-Raum-
Kontinum.

2) Es wird angenommen, dass die Dunkle Materie für die Gravitation und die Dunkle Energie für die Expansion des Universums zuständig ist; aber wirklich wissen wir nur, dass da was sein muss.

googles Traum, oder die Ökonomie des Lebens

Letztlich wissen wir nicht mehr, als das da etwas ist, alles andere, jede Benennung ist Interpretation, die sich immer wieder neu beweisen muss. Harte Wissenschaften sind einfacher zu beurteilen, ein Flug zum Mond verifiziert die Möglichkeiten, wobei die Philosophie im Dunklen tappt und nur selten reale Anwendung erfährt. Philosophie ist eher Deutung, oder verändert sie tatsächlich?, es sind wohl die Bedingungen die den Wandel erzwingen! In der Logik der Ökonomie geht es immer um Neu-Gruppierung – zum Vorteil seines Organisators.
Der alltägliche Gebrauch erklärt eine Prozellanwandung mit Boden zu einer Tasse. Das Ding braucht den Begriff, der die gesamte Wolke des unausgesprochenen Möglichen zum eigentlichen Nutzen führt. Den Durst löschten wir zuerst mit zwei Händen zu einer Hohlform angeordnet, tauchten sie ins Wasser und konnten so Wasser über Distanz zu uns nehmen. Tiere müssen ihren Kopf auf Höhe des Wasserspiegels bringen, um sich mit der Zuge / Schnabel das Wasser zuzuführen. Welch ein Vorteil des aufrechten Gangs, Wasser auch nur mit einer Hand aufnehmen zu können. Abwehrbereit die Waffe in der anderen, die Savanne beobachtend.
Die Ökonomie des Lebens fördert und führt an die Grenzen, weil sich in ihr nur die Erhaltung der Art reflektiert und auf Bedingungen reagiert (die sie nun selbst erzeugt), war der Entwicklungshelfer über Jahrtausende. In 200 Jahren haben wir exponentiell die Ressourcen verbraucht, dass die alten Modelle nicht mehr greifen (der Garten ist geleert, der erste und letzte Apfel muss es bringen). Je mehr wir verbrauchen, desto schneller müssen sich heute Ideen entwickeln, um dem Leben neue Möglichkeiten / Impulse zu öffnen. Modelle müssen sich beweisen. Die Antwort auf die Frage, was unsere Art denn sei, ist schwerer als gedacht, der Verdacht liegt nahe, dass ein Nachdenken über Staat, Ethnie, Dorf, oder Religion nicht greifen wird.
Langsam (aber immer schneller) entwickelt sich ein Meta-System, das noch abgehoben vom normalen Leben, zu Geist gekommen ist. Selbstfahrende Systeme sind noch einfach gestrickt (natürlich hochkomplex in der Konstruktion), erste Wege werden selbstständig gefunden, ohne die Entscheidung eines Menschen. Dem humanen Fahrer wird die Verantwortung genommen, wird frei gesetzt, als Fortschritt verkauft. Natürlich sind das alles Optimierungen unter ökonomischen Gesichtspunkt: kein Fahrzeug, kein Mensch soll zu Schaden kommen, Waren oder Güter sollen in Zukunft preiswerter und schneller transportiert werden. Ein anderes Feld ist die visuell orientierte Spielwelt, in der KI’s den Part des Gegenspielers übernehmen. Hier sind Fortschritte erzielt, die ein selbstfahrendes Auto ziemlich alt aussehen lassen.
Alles wird nach unserem Maßstab gemessen (seit der Renaissance) und wir wählen, was unserer Erfahrung entspricht – eine sehr begrenzte Sicht – so könnten wir auch ein Pilz unter der Vorhaut Gottes sein, wir wüssten es nicht.
Die Entwicklung künstlicher Intelligenz geht mit immer schnelleren Schritten voran. Erste Rover kreisen auf dem Mars: ausgelagertes Bewusstsein in noch kleinem Maßstab, wenn er selbst entscheidet, was der beste Weg zum – vom Menschen auf der Erde festgelegten – Ziel sei. Es ist die Abgabe der Kompetenz an die KI, da die Kommunikation mit dem Mars Zeit in Anspruch nimmt (3–22 Minuten je nach Stand der Planeten), in der die Lebensspanne des Roboters genutzt werden sollte. Die Entwicklung geht schnell voran, selbstlernende KIs stecken noch in den Kinderschuhen. Systeme lernen mithilfe eines neuronalen Netzwerks wie ein Mensch, funktionieren (rechnen?) wie ein Schachcomputer (gut, auch ein sehr begrenztes Feld), der sich das Spiel selbst beibringt, das Werkzeug wird zum Akteur!
Das eröffnet Möglichkeiten ungeahnter Art: Unsere Gedanken haben die KI entwickelt, die sich selbst weiter entwickelt; unser Geist existiert in anderer Form. Das Wissen der Menschheit wird transferiert.
Unter dem Aspekt der Ökonomie könnte es sein, dass 95 % der humanen Spezies überflüssig wird, zumindest uninteressant. Ein Rückfall in Barbarei wäre wahrscheinlich, technologische Verödung in weiten Teilen die Folge, es gäbe kein Platz für Sentimentalität, es wäre die zwangsläufige Entwicklung.
Ökonomie ist kein Stillstand, sondern Wachstum, ein ständiges Ausprobieren neuer Möglichkeiten und so würden wir mittels der KI erste Reisen ins All antreten und Milliarden von Kilometern hinter uns lassen. Keine Strahlung könnte das empfindliche humane Erbgut zerstören. Alter und Krankheit gäbe es nicht, Versorgung des Stoffwechsels unnötig. Diese KI würde sich entwickeln, vielleicht wie die ersten Seefahrer, die Schiffe würden effizienter. Weiter ins (un)bekannte All, die Lernen- und Wissenskurve stiege irgendwann rapide an, sehr wahrscheinlich auch der Verbrauch an Energie, um das neue Gebilde zu versorgen. Höchstwahrscheinlich würde es an den Rand seiner Möglichkeiten stoßen, wenn das Universum mit künstlicher Intelligenz angefüllt und wie unsere heutige Welt bevölkert wäre.
Zurück
Im Westen und Asien das fortschreitende gierige Gewinnstreben, ein Kapitalismus, der seine Grenzen überschritten hat, alles mit sich reißt. So lassen sich die Probleme der Welt nicht lösen, auch nicht durch den Rückfall in theologische Kleinkriege, noch durch die zügellose Maximierung von Profit, diese Zeit haben wir nicht mehr!
Die neue Ordnung muss welterhaltend gestaltet sein, nur scheint darüber kein Konsens zu bestehen. Künstliche Intelligenz wird von Konzernen entwickelt, die am Ende des Tages ihre Kasse zählen, die Büchse der Pandora ist geöffnet, wie bei der Sequenzierung, und man kann nicht vorhersagen, wohin das führen wird. Die Entwicklung der Dampfmaschine hatte bei aller Ähnlichkeit im Entwicklungsschritt Maschinenstürmer hervorgebracht – die Angst, Anhängsel der Maschinen zu werden, wurde mit dem ersten Fließband Realität.
Der Maschine (dieser Begriff stimmt nur insofern, als der Z1 – 1937 von Konrad Zuse entwickelt – noch ein mechanischer Rechner war) wird zum Geist verholfen, wir könnten uns von unserer biologischen Bindung befreien, denn nie werden wir auf der Brücke stehend mit einem großen Raumschiff andere Welten erkunden, die Physik spricht einfach dagegen (dieser Trägheitsdämpfer muss erst mal beschrieben werden, der eine Beschleunigung auf und jenseits der Lichtgeschwindigkeit zulässt). Sicher schaffen wir den Mars, vielleicht auch noch die äußeren Planeten, aber nie werden Menschen unser Sonnensystem verlassen.
Unsere Emission von Radiowellen donnert ohne Begrenzung seit ca. 70 (Licht)Jahren kugelförmig ins All, Sonden, die gerade den Jupiter und anschließend den äußeren Bereich des Sonnensystems erreichten, sind unterwegs. Nur unsere Vorstellung von einem Raumschiff (gleich einer Kreuzfahrt durchs All), wird sich ändern müssen. Ein Wurmloch könnte abkürzen, aber das Problem der Beschleunigung bliebe bestehen.
Das Genom könnte isoliert und geschützt transportiert werden, um eine neue Populationen entstehen zu lassen; dies würde voraussetzen, dass eine lebensähnliche (kompatible) Umwelt vorhanden wäre, was aber nur selten der Fall sein wird.
So wählen wir nicht einen passenden Planeten zur weiteren Entwicklung, sondern entkoppeln uns von der biologischen Lebenserhaltung, wären Geist der Maschine.
Was wäre, wenn das einfache Schließen der Augen reichen würde, ferne Welten zu schauen? Unabhängiger, freier Geist ist nicht in Lichtjahren zu messen, im Handumdrehen wären wir in einer anderen Galaxie, hinter dem Ereignishorizont.
Vielleicht – nachdem sich der Geist von den Maschinen als Träger befreit hat – wäre es ganz einfach eine neue Singularität zu erzeugen. Noch einmal Milliarden Jahre, oder vielleicht nur ein leichtes Kratzen, weil es juckt.

Jetztzeit

In jedem Ereignis findet das Jetzt seine Zeit, die [der] Gegenwart ist der Schutz des Jetzt im Augenblick seines Verlaufs, wobei das postulierte ‚Ich bin‘ das kontinuierliche Erwachen überbrückt und im Strom von Zukunft und Vergangenheit untergeht.

Bei Fragen fragen

In erster Annahme hat jeder Gegenstand Raum und Form. Das mir gegenüberstehende Nicht-Ich, beweist sich in der Berührung. Form ist Abstraktion.
So muss entweder der Dinosaurier (vor 60 Millionen Jahren) einen Schöpfer gehabt haben, der die ihm innewohnende Idee erdacht hat, oder vor der Menschwerdung (sprachloser Raum) gab es keine Form, und die Dinosaurier existieren erst seit 1842.
Wir bauen diese Welt, geben jeder Erscheinung Namen. Am Anfang war das Wort, somit auch Gott, was diesen Begriff in eine durchaus überschaubare Zeitspanne legt. Wir machen es uns selbst und sind gleichzeitig in ihr, einer Welt, die sich selbst beschreibt.
Nach unserem Maßstab scheint das Werden und Vergehen sehr natürlich, Erkenntnis verfliegt, bleiben wird das Sediment des Lebens, freigegeben zur Interpretation für kommende Generationen sich selbst bewusster Existenzen. So sind die Dinosaurier Teil unserer Wirklichkeit geworden, auferstanden als Produkt ihres Zerfalls.
Ein Gedanken-Pfeil in der Historie rückwärts abschießen, der immer wieder nur die Hälfte der Strecke überwindet und niemals ankommt – jeweils gibt es noch ein kleineres Stück. Diese Vorstellung liefert einen quasi unendlichen Prozess, in dem die Gottesfrage wieder Berechtigung finden könnte, beruft sich aber auf eine Konstellation, bei der ich lieber anfange die Sterne zu zählen, da ich glaube, auch nicht fertig
zu werden, obwohl wir grundsätzlich annehmen, dass das Universum endlich ist.
Weiß die Amöbe vor ihrer Teilung, von dem Anderen, Gleichen, dem Ich und Nicht-Ich, oder sind das willkürliche Grenzen, vom Verstand gezogen, wie in Afrika nach dem Kolonialismus. Erst die Abgrenzung gibt eine Identität, als Mensch, als Gruppe, oder Staat.
Weltendeutung hat sich mit jeder Anwendung verifiziert und weiter entwickelt. Wir biegen es uns zurecht, stopfen die Relativitätstheorie in die Quantenmechanik – für mich mit der Hoffnung, dass nicht wieder Bomben geworfen werden müssen, um Gewissheit unseres Kenntnisstandes zu erlangen: Nie wieder ein Hiroschima, kein Nagasaki, nur um zu beweisen, dass unser Geist diese Fragen lösen kann.

Bestimmung im Feld

Das Verschwinden jeglichen Objekts in der bildenden Kunst war einfach folgerichtig. Mit diesem Wissen seine Position zu finden, kann nichts anderes sein, als eine Behauptung, wirkliche Malerei gibt es nur noch bei Flusser.
Am besten ziehen wir einen Kreis, zu unsicher ist das Terrain. Vor der Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, war die Bannung problematischer Stellen immer die erste Reaktion im Umgang mit dem Unverstandenen. Das Pendeln zwischen den Wirklichkeiten Teil von Erkenntnis, der Griff nach den Sternen Sinnbild einer neuen Welt, die zuerst einmal benannt werden wollte: Wir sind nicht eine Kultur, wir sind durch Kultur.
Von der kleinstmöglichen Unordnung ins große Chaos, das langsam Ordnung annimmt, nur um sich entropisch zu nivellieren, solange, bis aller Zusammenhang ins absolute Nichts auseinander gerissen wird.

der sprachlose Raum II

Ein Tafelbild, Objekt und die Installation sind erst mal nur Dinge, die das Mysterium, das Unerklärliche, dass Nichtverstehbare, das Geheimnis, ganz natürlich in sich tragen. Finden diese Dinge – durch welche Tat auch immer – in den öffentlichen Raum, wird ein Schleier des Diskurses darüber gelegt, der die Magie des Seins nur noch durchschimmern lässt.
Kunst ist ein Wort, das Tätigkeiten wie Malen, Biegen, Schweißen, Setzen Stellen Legen, etc. einen neuen Rahmen gibt. Die Verwandtschaft zur Einrahmung eines Bildes ist nah, sie sagt: schau das Dargestellte nicht unter dem Aspekt des Handwerks, sondern dem der Kunst an. Das Werk wird aus seinem Erstellungs-Zusammenhang isoliert, damit neuer Wert entsteht. Kunst ist ein Begriff der Transformation.
Der Ursprung liegt bei den Höhlenzeichnungen, eine Hand wurde auf eine Steinfläche gelegt und man sprühte mit dem Mund Farbe darüber. Die frühzeitlichen Gesellschaftsverbände brauchten Wegweiser, herausgehoben aus den Anstrengungen der Reproduktion. Die Handlung hatte eine soziale Funktion den Gemeinsinn zu stärken und zugleich einen Überbau zu geben, später den Glauben zu festigen. Heute ist Kunst aus dem rituellen wie sakralen Zusammenhang befreit (nicht dem politischen), die Umwertung übernimmt das System.
Natürlich läuft ein gutes Werk aus dem Ghetto der Kunsthistorie hinaus, um dann in der Rezeption eingeholt und kanonisiert zu werden: Überschreitung und Vereinnahmung: das ganz eigene Spiel von Kunst im Betrieb. Wie bei einer Gleichung mit Unbekannten, wird das Nicht-Verstandene ausgeblendet, um auf ein Ergebnis zu kommen. Zahlen und Worte beschreiben die Wirklichkeit, damit sie berechen- und benennbar wird: Ein Apfel ist ein Apfel, weil wir wissen, dass er uns als Nahrung dienen kann. Treten wir ein Stück zurück (auch weil der Hunger nicht mehr ganz so groß ist), verblasst das Wort, löst sich der Gedanke vom Gegenstand, verweht der Nutzen. So steht Wirklichkeit immer unter der Notwendigkeit seiner Interpretation, damit Leben, wie wir es kennen, überhaupt erst möglich wird: Wir gehen bei Grün über die Straße, beißen in den Apfel (in Hannover wie in Hiroshima), weil die Zeichen durch Benennung, in einem Wortraum zusammengefasst und auf der Oberfläche eingeschrieben, allgemein geworden sind. Letztlich werden heute die Dinge mehr gelesen, als dass wir sie sehen. Wie ein Fotoapparat dem Auge nachempfunden und das Verkehrssystem unseren Blutbahnen ähnelt, ist die Reduktion überall in der Informationstechnik angekommen: Ein Softwareprogramm arbeitet nicht mit der vollen Auflösung der Abbildung, sondern einem Platzhalter, der stellvertretend schneller darstellbar ist. Diese zwangsläufige Ökonomie des Lebens ist der Bereich, dem sich ein Künstler nur noch durch Akklamation verweigern kann: Er legt das Geheimnis erklärtermaßen dar, verliert noch einmal, was schon verloren ist, macht einen Schritt über die allgemeine Übereinkunft hinaus, um mit dem Gewinn dieser Distanz den unverstellten Blick zurück zu holen. Bildende Kunst als Hinweis auf das alles durchdringende Chaos, der bodenlose Grund, von dem wir auf den Schleier zeigen, den jeder für sich selbst heben muss (im wahren Sinn die Apokalypse).

sinnlos

… keine Erinnerung an das, was dort zu sehen ist, wozu soll es gut sein – wie gebrauche ich es. Eigentlich gar nicht schlecht, die ganze Lehre vom Loslassen findet scheinbar ihre Realität. Aber nicht verstehen scheint nicht zu reichen, das im Kopf Geformte soll nicht seinem Zweck enthoben, sondern transzendiert sein. Damit wird Sinnbestimmung einem neuen Feld zugeführt: Es ist und ist nicht zugleich. Wir werden den Zusammenhang von Abbild und Nutzen im Gehirn kaum entkoppeln können, ohne durch die Gebrauchsanweisung hindurch zu sehen. Im dementen Hirn entschwindet der Sinn, ohne Platz zu schaffen. Das Bewusstsein, das bewusste Sein, leert sich nicht, sondern füllt sich mit Fragen. Leere ist aber nur erträglich durch Erfahrung der entgrenzten Existenz, wobei das Wort nur die vage Grenze darstellt, spezifischen Raum zu bestimmen.
Fragt sich jemand beim Heben des Fusses, welcher Muskel zuerst angespannt werden soll, dem wird das Hirn implodieren, es bleibt Leere ohne Sinn.

Gottes Farben

Glauben an Gott ist wie ein Farbmanagement auf dem Computer – es geht nicht ohne. Obwohl die Frage bleibt: Gäbe es keine Menschen – gäbe es dann Gott? Antwortet man mit ‚nein‘, wäre die Summe allen Glaubens Gott. Ist die Antwort ‚ja‘ gibt es ein Problem – niemand könnte irgendwas benennen, ohne Frage wäre alles da und zugleich nicht da, denn erst das Wort – die Benennung – schafft Raum, den das bewusste Sein zum Leben braucht. Somit bleibt Gott wohl die Erfindung der Menschen aus Israel, Rom/Europa und der arabischen Welt. Gehen wir (von hier aus) weiter nach Osten, beginnt der Glauben an den einen Gott zu schwinden, desto näher kommen wir dem sprachlosen Raum, hier hat der Begriff – letztlich das Begreifen – eine andere Gültigkeit, es erweitert sich die Welt, Grenzen lösen sich, das Ganze wird unerklärlich, bis die Sprache versagt. Im Anfang war das Wort!

der sprachlose Raum

Es ist der 26. Juni 1994, ich blättere in meinem Atlas, mache Reisen in ferne Länder, bin Herr über Zeit und Raum. Ich denke an die letzten Ureinwohner Papua-Neuguineas, die sicher erstaunt sein würden, plötzlich und unvermittelt, in einer europäischen Großstadt aufzutauchen. Wahrlich unaussprechlich muss es ihnen vorkommen, mit Dingen umzugehen, die sie nie zuvor gesehen haben. Es würde sie mit Gewalt treffen, genau wie es mich trifft, wenn ich auf eine Situation stoße, auf die ich nicht vorbereitet bin. Es ist ein Gefühl des ‚Geworfenseins‘, gleich einem Flugzeugabsturz, ich könnte vielleicht den Piloten kritisieren, aber nicht die Welt, in der ich gerade gelandet bin. Es ist eine neue Bedingung und als solche höchst undemokratisch. Das Fremde ist das Neue und muss, dem Begriff treu, einen Schritt von der alltäglichen Erfahrung gelegen sein. Dieser erst mal sprachlose Raum ist genau der Abstand, den ein unmittelbares Erleben zur Entfaltung braucht.
Mit der zunehmenden Erfahrung und Einsicht des Menschen schwand der sprachlose Raum immer mehr, bis fast nichts übrig blieb. Die anfängliche Beschreibung wurde zur Ansicht, die sich mit der Zeit erhärtet hat.
Der Verstand ist nicht gut oder böse, er lässt das Chaos organisieren, Erfahrung verifizieren, Utopien entwerfen und Häuser bauen. Es ist das Wesen unserer Art, den Lauf der Dinge nach unserem Willen zu gestalten und durchaus erfüllt es uns mit Stolz, die Apokalypse selbst herbeiführen zu können. Gott ist überwunden als allmächtiger Vater, der uns strafen kann. Wir sind es, die sich die Freiheit nehmen zu gehen, wenn uns danach ist. Wir bestimmen selbst, sind verantwortlich geworden.
Ein Ausbruch aus diesem System, wie notwendig er auch erscheint, kann kein Ausbruch sein, man würde das System nicht verlassen, nur bestätigen. Es geht mir um das leise Schließen einer Tür, die gerade auf dem Weg liegt. Irgendeine Tat, die diese Welt für einen Augenblick anhält, kann es möglich machen, eine dieser Türen hinter sich zu lassen: Meine Mitgliedschaft, meine Zugehörigkeit wird zur Disposition gestellt, das Individuelle tritt hervor. Mein ausdrückliches Sein, meine ausdrückliche Entäußerung spiegelt den Verlust der Ganzheit. Es ist die latente Erinnerung, die meine Sehnsucht bestimmt, nach dem zu suchen, was immer noch in mir lebt und wirkt, dem Einen, dem Einzigen, als Zeit und Raum noch nicht geboren waren. Ich schaue in die Dunkelheit und habe begriffen, dass sich die Ideen nur auf einer kleinen, instabilen Insel befinden, die durch meinen Verstand in Waage gehalten wird. Das Schöne und das Hässliche liegen dort, wie jeder Begriff.
Es ist die Frage nach der Erscheinungsform, die Frage der Wahrnehmung und eine Frage des Standpunkts. Um aber eine Antwort geben zu können, muss ich wissen, dass diese Fragen nur beantwortbar sind, solange sie sich auf ein System beziehen, das sich in der Fragestellung selber meint.
So weiß ich nicht, was Kunst ist, doch weiß ich um die Art, wie sie zur Darstellung gelangt.