Archiv der Kategorie: bildende Kunst

bigott
ist das Kunst, oder musste das weg

zur Abnahme des Bildes des Künstlerkollektivs Taring Padi

Bei meinem documenta-Besuch hat mir ein Bild gefehlt, um mich damit auseinander zu setzen. Diese Möglichkeit wurde mir durch den Abbau genommen. Ich fühle mich von Staats wegen erzogen, bevormundet, um nicht zu sagen gegängelt.
Nur noch durch Abbildungen im Internet kann man sich ein Bild machen, um nachzuspüren, was die Künstler gemeint haben mögen.
Antisemitismus in der Ikonographie, als Stereotyp zurückgeführt aufs Klischee, um einen übergreifenden Zusammenhang darzustellen? Wenn wir diesen nicht mehr selbst relativieren dürfen, ist es um uns geschehen, nur weil einige Politiker denken, dass wir dem nicht gewachsen sind. Das ärgert mich!
Mir fehlt die Auseinandersetzung vor dem Original. Zeigen, beobachten, vergleichen, Reaktionen im öffentlichen Raum – Wirklichkeit wahrnehmen.

Iteration (oder wie das Pattern in die Welt kam)

… wohl zuerst in der Architektur, die alten Tempel haben schon aus bautechnischen Gründen eine Rhythmisierung der gleichen Elemente. Das sich dies im Fries fortsetzte, war nur folgerichtig.
Das handgefertigte, immer wiederkehrende, Objekt ist unterschiedlich. Seit 26 Jahren lebe ich auf einem Perserteppich (keine Kinderarbeit), bei dem sich jedes Ornament wiederholt. Sei es die Farbe, die Form, der Abstand zum Rand, alles referiert den Nächsten, ist gleich und doch grundverschieden. Hier wird Handwerk zur Weltsicht!

Was wahr ist, war noch nie wirklich und wird es nie sein. Oha, bloß weiter, es geht nur um die kleinen, sich immer wiederholenden, Versatzstücke.
In der neuzeitlichen Musik viel mir dies zuerst bei Bruckner auf, in der sich wiederholende Taktintervalle, innerhalb einer Form, auf eine kontemplative Ebene verschoben wurde, die seinesgleichen sucht (8. Symphonie, 2. Satz). Die ganze Musik des Minimal ist davon angesteckt, dass es mich dort in die Langeweile treibt (Ausnahmen bestätigen die Regel: ‚in C‘ von Riley).
Losgelöste sich wiederholende Sequenzen ergeben Dekor, aber keinen Sinn. Denn anders, als beim islamischen Bilderverbot, übersteigt dabei nichts den inneren Zusammenhang, hat nur den Anschein des Meditativen, eines Mantras, ist schlechte Folklore.

An einigen Ecken füllen sich Räume der Bildenden Kunst mit solchen Schnipseln; ich stehe vor den Arbeiten und kann das Handwerk, im schlechten Fall die Mühen, schätzen. Mir fehlt die Inspiration im Verlauf, die nur auf das Ziel hingearbeitet eine begrenzte Fläche zu füllen.
Deutlich wird dies im Bezug zur gesellschaftlichen Relevanz. Das Pattern degradiert sich zur blassen Entscheidung, dem die innere Notwendigkeit fehlt. Das ahnbare Nächste ist schon gefüllt, die Sehnsucht befriedigt. Dies nutzt den Geist zu füttern, ohne ihm eigentliche Nahrung zuzuführen: Je weniger wir folgerichtig projizieren, desto kleiner wird der utopische Vorsprung eine Welt zu denken, in der Leben lebenswert ist.

Dann waren es Computerspiele (erste Ego-Shooter), die für ihre virtuellen Räume Hintergründe brauchten. Wie immer ist es eine Frage der Ökonomie, in diesem Fall die der Rechenleistung, die wiederholbare Tapetenschnipsel, auf Dreiecken, in den konstruierten Raum stellte. Davor die simple Einrichtung mit einigen Schaltern, fertig war eine Umgebung, welche den Aktionsradius des Users markierte. Das diese Engines heute immer kleinere Dreiecke, oder Polygone, berechnen können und daran ihre Muster hängen (Texture Mapping), macht die erzeugten Welten immer glaubwürdiger, bis hin zur Realitätsverschiebung.

transreal

Das Rot steht gut, dazu intensives Gelb mit zartblauem Strich.
Das Radio plärrt vor sich hin:
Amerikanischer Jazz-Kitsch der 40er.
Die Striche müssen sitzen, auch das Narrativ.
Erzählen, ohne zu reden!
Und natürlich hole ich mir die Geschichte aus dem Kopf.
Und natürlich weiß ich vorher nichts davon – aber nur wenn sie stimmt, kann es auch eine gute Arbeit sein. Da ist keine nachträgliche Deutung, es ist ein sich Entwickeln zur Form.
Mein Erleben, meine Gedanken über Staat und Gesellschaft, schon die erste Linie ist davon geprägt, nicht ausdrücklich, sie wird es im Zusammenspiel. Das Fragmentarische bleibt erhalten (dem einzelnen Element wird ein Wert im Gesamten zugesprochen), die Offenheit bestätigt und als Möglichkeit einer neuen Erzählung, vom Betrachter selbst gestaltet, mitgedacht.

Kunst die sich verkauft, ist a priori noch keine gute Kunst.
Kunst die sich nicht verkauft, ist a priori noch keine gute Kunst.

Es ist ein Spagat, weil Kunst erst zur Kunst wird, wenn sie im öffentlichen Diskurs steht (wobei ein Verkauf durchaus förderlich sein kann).
Der eigentliche Knackpunkt ist, dass jegliche Entäußerung eines Künstlers mutiert. Nicht ganz einfach, aber wir leben im Kapitalismus, wobei alles, was zur Veräußerung steht, zur Ware wird. Diese Gesetzte sind von Marx differenziert dargelegt, das Problem ist das gleiche, auch wenn es um Malerei, Skulptur, Installation, oder die neuen Medien geht. Findungen verdunsten im Schein des Geldes.
Freiheit im Markt findet nur ganz oben, außerhalb, oder am Rand statt, alles andere strampelt sich ab, läuft seinem Gewissen hinterher. Auf den Messen sehen wir den Versuch, mit Geld mehr Geld zu machen. Der Wert verschiebt sich vom inhaltlichen Gewicht zur pekuniären Vergleichbarkeit. Auf der anderen Seite wird an diesen tristen Orten Kunst gezeigt, die noch augensinnlich wirken darf.
Hier tat sich eine Lücke auf, in die die Kunstvereine gesprungen sind, sie zeigen die alternativen, raumgreifenden Arbeiten von Künstlern, die natürlich auch schon verkauft haben dürfen/sollen. Als freie Show, bis hin zu regionalen Verantwortung, in der Bürger sich engagieren, ist die Kunstvereins-Kunst fast ein eigenes Genre geworden.
In vielen der Fälle von Frauen geleitet, ist über Jahre
ein Bild entstanden, das das scheinbar Geistige des­tilliert und an die Wand bringt. Weniger ist mehr kann nicht immer stimmen, aber auratisiert die Position. Viel Platz für eine kleine Geste, nimmt den Schmerz am Poveren.
Um nicht in den Verdacht eines, wie auch immer gearteten, Feminismus zu kommen, wird das Weibliche unterdrückt, was nicht heißt, dass keine Frauen ausgestellt werden, es geht eher um eine schleichende Entsinnlichung, zugunsten einer Problematisierung des sozialen Umfelds – ist zur politischen Veranstaltung geworden, die auch Verantwortung übernommen hat, bis zu dem Grad, das Sinnlichkeit in den Verdacht des Reaktionären gekommen ist.
Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.
Es treiben seltsame Blüten auf beiden Seiten, der eine Betrieb entschuldet den anderen.
Die Richtschnur wird mir fremd – liegt wohl am Alter.

Die Summe der Scherben

In den Werken der Postmoderne, insbesondere der Architektur, die ich erst ab ’86 richtig wahrgenommen habe, war für mich eine Entseelung des einzelnen Elements zu konstatieren, die in der Zusammenschau wohl notwendig war, nicht zuletzt, um eine Homogenisierung des Gesamteindrucks zu erreichen.
Malerei ist für mich ein Mittel, kleine Erzählungen an den richtigen Nagel zu hängen. Sicher gibt es in meinen Bildern formale wie strukturale Fromen, dränge sie aber zugunsten von Bedeutungsfeldern zurück. Ich arbeite der Sinnentleerung des Bild-Elements entgegen, lade es mit Bedeutung auf, damit es sich knapp aus der Struktur enthebt. Das ist kein Fortschrittsoptimismus, aber ein Zurück zur möglichen Utopie, ohne gleich Ideologie zu werden und stelle die sog. Postmoderne vom Kopf auf die Füße.

Evozierte Sehnsucht.
Dies geht nur mit Elementen, die außerhalb meiner/unserer Zeit liegen. Angefangen bei der Malerei, aber auch der Geschichte darin, ist es ein Symbol für den Verlust an Werten und Ressourcen, die so nicht mehr zurück zu holen sind.
Ich spreche von einem Gestaltungsende: auf der einen Seite die Möglichkeit uns selbst in die Luft zu jagen, auf der anderen der rasante Konsum aller Ressourcen. Das daraus resultierende Vakuum hat uns zu Verbrauchern degradiert.

Bilder malen wie ein gebrochener Spiegel, vielleicht Kaleidoskop, die versuchen keinen neuen Entwurf zu präsentieren, sondern als Summe gesehen werden wollen. Ich male mit dem Zweifel und der Gewissheit des Scheiterns, um im Ergebnis noch einmal zu scheinen, gleichzeitig mit offener Struktur, die das Werk erfahrbar werden lässt und fragt: wie weit muss ich zurück, um noch einmal zu verlieren, was schon verloren ist.
So lege ich meinen Finger in die wunde Stelle außerhalb des Bild-Systems, muss aber innerhalb um eine Antwort ringen. Das wird zum Programm, ein Programm, das sich selbst zersetzt, zersetzen soll, denn Widerstand – die erste Erfahrung des Menschen – wird zum Gegenstand, löst sich aus der Einheit ins Fragment, das Individuum tritt hervor.

Dunkle Paradiese

… eine meiner Ausstellungen hatte ich ‚Dunkle Paradiese‘ genannt und Kritik dafür geerntet. Heute wird mir klar, wie richtig dieser Titel war: Wir sind nicht vertrieben, nur unser Blick ist verstellt. Daraus ergeben sich Handlungen, die eher an die Hölle gemahnen, als an einen möglichen Alltag – was ist geschehen?
Wir mussten der monistischen Welt entsagen, wollten Erfahrungen sammeln, Grenzen überschreiten, um das Gebot der Freiheit zu erobern. Ein neuer Standort war notwendig für die erste Definition des Selbst als ICH: das Andere / den Anderen als Widerstand wahrzunehmen. Wo ich bin, kannst Du nicht sein. Hier wurde die Sehnsucht – aber auch der Verrat – geboren.
Es ist wohl ein Märchen, die Rastlosigkeit zu verstehen, denn Verstand ist von vornherein rational, unser tierisches Erbe hält die Balance. Ein Hund kann wohl zwischen seins und nicht seins unterscheiden, aber nicht zwischen seinem Selbst und dem Ganzen. Der Hund ist das Ganze, wenn er stirbt, stirbt ein Universum. Kein Tier konnte sich je seinem Selbst entheben (die Voraussetzung zur Entwicklung von Ideen), kein Tier hat je ein anderes beerdigt.
Auch heute noch stehen wir mit einem Bein im Paradies, nur liegt der Schleier unserer Abstraktion darüber, Kain wird immer noch erschlagen, ganze Länder überschwemmt, Menschen vertrieben. Aber ohne diesen Schleier gäbe es keine Entwicklung, wären die Zeichen auf dem feinen Tuch nicht lesbar, triebe die Zeit nicht ihrem Ende entgegen.
Der Apfel war der Preis.

… und ganz bestimmt Hans von Marées!

Einzelne Bildelemente, in stiller Bewegung gehalten, stellen Bezüge her, interagieren. Figur wird zur vielteiligen Form, die Struktur einer motivischen Zelle wächst ins Substanzbestimmende. Das hat nichts mit Narration zu tun, es ist eher eine geschichtslose Geste, die die inneren Perspektiven, die Bild-Geschichten vermitteln.  Malerei wird – nicht das Bild. Geschichten werden Meta-Geschichten, die Wahrheit zu berühren, um gleich wieder im Kontext Kunst zu verdunsten.
Rückschlüsse: Nicht in der Malerei liegt die Wahrheit, auch nicht außerhalb.
Vor dem Bild merke ich, dass etwas wirkt, mich versetzt, verrückt auf ein anderes Niveau der Wahrnehmung, ein Zugleich von Wissen und Empfinden. Die von mir angenommene Absicht des Künstlers mischt sich mit der gebotenen Wirklichkeit des Objekts. Augensinnlichkeit und Geist verschmelzen genau auf der Strecke, die ich vor dem Bild stehe, im Vor und Zurück wird der Interpretationsraum definiert.
Marées hat auf Podeste gestellt, im Fries groß gefasst, Säulen arrangiert, bei den Triptychen die Rahmen über das übliche ausgebaut. Mit den neapolitaner Fresken ist ein Kunst-Raum entstanden, bei dem Dekor, Raumstruktur und Bild zu einer Einheit verwoben sind. Sicher gibt es viele Beispiele von Künstlern die umfassender gearbeitet haben, und sicher ist Michelangelos Sixtinische Kapelle nicht zu überbieten: Ein gesamter Raum wird zum Bewusstseinsfeld. Alle Kirchen nutzen diese Verdichtung – Emotionsclaiming – Bewusstsein wird bewusst gelenkt.
Bilder von Marées lassen den tiefen Wunsch nach Geborgenheit aufsteigen, ohne auf eine reale Tür zu verweisen, nach der dies möglich wäre. Ein Hervorrufen von Sehnsucht, ohne Akklamation, ohne in den Mythos von Arkadien zu gleiten, die Selbstverständlichkeit des Idealen ist die Leistung von Marées.
In Zusammenführung von Kunst und Leben wäre die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft ausgeblendet und könnte nur insoweit wahr sein, dass sie eine Insel in der Gesellschaft darstellte, die sie selbst geboren hätte. Realer und ideeller Raum wären deckungsgleich, nicht in gesellschaftlichen Kontext gestellt und könnte, auf Grund fehlender Dialektik, von innen nicht mehr verstanden werden. Kunst ruhte in der Kunst, was die Sixtinische Kapelle noch rechts überholen würde. Ein Leben in der Utopie ließe keine Hoffnung zu, jegliche Sehnsucht wäre aufgegeben für das Jetzt. Der Traum des Idealen, ist die notwendige Utopie einer Gesellschaft, ist Idee der Zukunft, ist Verweis, ist Richtung, ist Entwicklung.
Museen sind keine Zoos, indem Lebensbereiche eingegliedert sind, die in unserer Welt nicht mehr überdauern. Arkadien wäre das eingelöste Versprechen und führte, wie weit ich auch gehe, immer auf sich selbst zurück. Kunst ist ein System parallel zur Natur und kann, solange sie einen über sich selbst hinausgehenden Anspruch hat, nie das Leben selber sein.
So sind es nicht die festen Grenzen der Museumskasse, oder die Tür zu Arkadien, nachdem Kunst beginnt. Kunst entsteht zwischen Werk und Betrachter, der die Absicht des künstlerischen Tuns transzendiert: Eine Interpretation des Augenblicks, als Projektion des Seins.
Deswegen mag ich Bilder, die an der Wand hängen und Marées gibt mir allen Grund, es auch weiterhin zu tun.

Entgrenzung

Wir hatten genügend Zeit und sind nach Basel gefahren. In der Abteilung der Moderne, vor zwei Bildern von Cézanne, sehe ich, wie sich der Strich dem Gegenstand enthebt, selbständig wird, sich findet in dem von ihm erzeugten ästhetischen Gitter. Die Gegenstand-Erscheinung wird neu gebaut, schafft neue Wirklichkeit – bei Cézanne ist es Wahrheit: Farbe und Setzung wird Grammatik, ein Einlassen auf die Selbst-Organisation des Bildes. Drei Schritte
weiter hängt ein van Gogh (Landschaft). Das intellektuelle Gerüst verweht, die Striche verwirken sich zu einem zweidimensionalen Gewebe, auf dem sich eine dritte Ebene öffnet: Jeder Strich mit seiner eigenen Bedeutung.
Die Plakate zur Gauguin-Ausstellung hingen schon: Grob ist zu sehen, wie der Strich Umriss, Kontur wird, die farbigen Flächen leise umrahmt, eng mit der Form verbunden, löst sich ihre Farbdynamik ins Symbol. Handschrift – die van goghsche Selbstbehauptung – wird zu Gunsten des Ideellen reduziert, das Selbst des Malers transzendent!
Alles will im Kern neu begriffen werden.
So sind es gerade die letzten Arbeiten (ab 2010), in der sich meine Malerei deutlich ihrer Eigenschaften versichert. Sie trägt die Züge des Uneigentlichen, wirkt introvertiert, gewichtig (dreunend wie der Kollege Bier sagte), lyrisch, polternd, dabei geschmeidig und tut als ob. Die Werke stehen auf der Kante, selbst da, wo durch den Mantel der Stilisierung eindeutig persönliche Betroffenheit hindurch scheint. Einzelteile sind übergangslos montiert, mal bunt eingefärbt. Valeurs – natürlich, kommen vor –, aber auf der Deutungsebene sind nur Primär-, Sekundär- und Tertiär-Farben relevant.
Das Bild ist Anlass (wohl der erste Anlass), letztlich mein Sprungbrett in die Entgrenzung. Aufzeigbar an einer heute scheinbar konventionellen Formulierung, dem Tafelbild, das traditionell ‚fertig‘ ist, wenn es an der Wand hängt. Immer wieder suche ich den Weg aus diesem Rahmen hinaus, stellvertretend für das Lebens-System, dem ich das Kunst-System an die Hand gebe, die vermeintlichen Grenzen zu überprüfen.
Wenn wir nicht wüssten, dass das große Chaos herrscht, müssten wir es glauben: Ordnung ist, wenn wir tot sind.

die Oberfläche der Zeit

… gerade läuft Schostakowitschs 5te Symphonie (wieder mit sch und w, obwohl ich mich nur schwer daran gewöhnen kann). Mein Ohr ist Dialektik gewöhnt, aber ein doppelter Boden ist nicht so leicht zu spielen, noch zu hören. Zu weit weg ist dieses Leben, nehme aber die Bedrückung, unabhängig der jeweiligen Zeit, wahr. Das Finale quasi-melancholisch, eine Anti-Apotheose, dekonstruktiv. Das geht weit über das Groteske hinaus und sagt: Leben braucht mehr als ein emotionales Befinden, würde es nicht so sein, wäre jede Hoffnung verblasst.
Kunst-Machen kann ich mir heute nur noch als Geste vorstellen. Wer in meinen Bildern ‚Malerei‘ sehen will, muss schon sehr daran vorbei schauen. Der Verlust von Utopie lässt Sehnsucht kaum mehr zu, darum sind Entäußerungen im Kontext des Kunstbetriebes oft so schal, so blutleer, so aufgeräumt, für ein ganz bestimmtes Klientel gestellt, das sich nur dort stoßen will, wo auch ‚Kante‘ draufsteht.
Zurück: Eine Symphonie von Schostakowitsch beschreibt neue Wege, gleichzeitig entzieht sie sich. Das Leben des Autors, ein Kompromiss auf schmalem Grad mit der Partei, stellt für mich keinen Vergleich, meine Ohren heute sind andere.
Wieder vor: Meine Position in der Malerei ist nicht einfach zu vermitteln, da sie knapp an Denk- und Malhülsen vorbei schrappt, in die sich zu leicht begeben wird. Natürlich ist gerade das die Qualität der Bilder und nutze Form-Systeme, die einen aktiven Betrachter voraussetzen. Da mir der Traum des Sozialismus nicht ausgeträumt scheint, fordere ich ein Publikum, dass es vielleicht nicht mehr gibt? Es ist in den wohlverdienten Urlaub gefahren, so dass Urteile über Kunst nur noch von einer kleinen Gruppe getroffen werden, die speziell dafür ausgebildet ist.
[Ich vernachlässige den kommerziellen Bereich, die Aktien, die Banker, für die Kunst noch nie bildend war und übergebe die Verkäufe an Institutionen dieser Art, meinem Hunger auf Leben.]
Eine Möglichkeit von Kunst ist es, die gesellschaftliche Dispositionen auszuleuchten, besser, man versteht das System dahinter – ein sich selbst genügendes progressives System, in der Zwangsläufigkeit einer utopielosen Zeit. Einer Zeit, in der individuelle Befindlichkeit / Darstellung überwiegt, kein gesellschaftliches Streben nach Veränderung, Fortschritt, von Revolution ganz zu Schweigen, zu weit ist der Gedanke.
Schaut man aber genau, ist der Wandel notwendiger als je zuvor, die bessere Welt die einzig mögliche. Aus dem Spezialistentum heraus, wird Verantwortung wieder auf viele verteilt. Das ‚Um die Ecke denken‘ aus seiner Metapher entlassen, so könnte Kunst seinen Bildungsauftrag (den sie immer hatte) wieder übernehmen, zurück zu den Menschen, die die Neustrukturierung tragen (müssen). Warum glaubt man sonst, dass ein junger Mensch keine Lust verspürt, diese Gesellschaft mit sich zu erfüllen und zu entwickeln? Sie wollen unser Erbe nicht. Das sind ‚Schulaufgaben‘, die ihnen ihre Eltern und Lehrer global hinterlassen haben – keiner macht sie gern. Verlangt wird eine Größe, die mich erschreckt, erschrecken muss, aber deutlich macht, warum ein Teil der besten Köpfe in die Wirtschaft (nicht Kneipe, obwohl auch eine Möglichkeit) geht, und andere im Selbst versanden. Wer hat die Wahl, wenn nur noch Zwangsläufigkeit zu Gebot steht? Die Glaubenskrieger haben es erkannt: Widerstand ist die erste Erfahrung des Seins.
Letztlich stimmt der Satz mehr denn je: So oder so, die Erde wird rot.
… jetzt die 8te.

der sprachlose Raum II

Ein Tafelbild, Objekt und die Installation sind erst mal nur Dinge, die das Mysterium, das Unerklärliche, dass Nichtverstehbare, das Geheimnis, ganz natürlich in sich tragen. Finden diese Dinge – durch welche Tat auch immer – in den öffentlichen Raum, wird ein Schleier des Diskurses darüber gelegt, der die Magie des Seins nur noch durchschimmern lässt.
Kunst ist ein Wort, das Tätigkeiten wie Malen, Biegen, Schweißen, Setzen Stellen Legen, etc. einen neuen Rahmen gibt. Die Verwandtschaft zur Einrahmung eines Bildes ist nah, sie sagt: schau das Dargestellte nicht unter dem Aspekt des Handwerks, sondern dem der Kunst an. Das Werk wird aus seinem Erstellungs-Zusammenhang isoliert, damit neuer Wert entsteht. Kunst ist ein Begriff der Transformation.
Der Ursprung liegt bei den Höhlenzeichnungen, eine Hand wurde auf eine Steinfläche gelegt und man sprühte mit dem Mund Farbe darüber. Die frühzeitlichen Gesellschaftsverbände brauchten Wegweiser, herausgehoben aus den Anstrengungen der Reproduktion. Die Handlung hatte eine soziale Funktion den Gemeinsinn zu stärken und zugleich einen Überbau zu geben, später den Glauben zu festigen. Heute ist Kunst aus dem rituellen wie sakralen Zusammenhang befreit (nicht dem politischen), die Umwertung übernimmt das System.
Natürlich läuft ein gutes Werk aus dem Ghetto der Kunsthistorie hinaus, um dann in der Rezeption eingeholt und kanonisiert zu werden: Überschreitung und Vereinnahmung: das ganz eigene Spiel von Kunst im Betrieb. Wie bei einer Gleichung mit Unbekannten, wird das Nicht-Verstandene ausgeblendet, um auf ein Ergebnis zu kommen. Zahlen und Worte beschreiben die Wirklichkeit, damit sie berechen- und benennbar wird: Ein Apfel ist ein Apfel, weil wir wissen, dass er uns als Nahrung dienen kann. Treten wir ein Stück zurück (auch weil der Hunger nicht mehr ganz so groß ist), verblasst das Wort, löst sich der Gedanke vom Gegenstand, verweht der Nutzen. So steht Wirklichkeit immer unter der Notwendigkeit seiner Interpretation, damit Leben, wie wir es kennen, überhaupt erst möglich wird: Wir gehen bei Grün über die Straße, beißen in den Apfel (in Hannover wie in Hiroshima), weil die Zeichen durch Benennung, in einem Wortraum zusammengefasst und auf der Oberfläche eingeschrieben, allgemein geworden sind. Letztlich werden heute die Dinge mehr gelesen, als dass wir sie sehen. Wie ein Fotoapparat dem Auge nachempfunden und das Verkehrssystem unseren Blutbahnen ähnelt, ist die Reduktion überall in der Informationstechnik angekommen: Ein Softwareprogramm arbeitet nicht mit der vollen Auflösung der Abbildung, sondern einem Platzhalter, der stellvertretend schneller darstellbar ist. Diese zwangsläufige Ökonomie des Lebens ist der Bereich, dem sich ein Künstler nur noch durch Akklamation verweigern kann: Er legt das Geheimnis erklärtermaßen dar, verliert noch einmal, was schon verloren ist, macht einen Schritt über die allgemeine Übereinkunft hinaus, um mit dem Gewinn dieser Distanz den unverstellten Blick zurück zu holen. Bildende Kunst als Hinweis auf das alles durchdringende Chaos, der bodenlose Grund, von dem wir auf den Schleier zeigen, den jeder für sich selbst heben muss (im wahren Sinn die Apokalypse).